Tag 25: Von Burgos nach Carrión de los Condes

Motto: In Kastilien angekommen geht es auf die „Route 66“ der Meseta

Aus Burgos komme ich sehr zügig auf Radfahrspuren hinaus. Die aufgehende Sonne taucht die Pilgerstatue am Kreisverkehr am Ende der Stadt bei 2 Grad Außentemperatur in ein seltsames Licht.

Übrigens: Hier könnten sich die deutschen Verkehrsplaner eine Scheibe abschneiden. Denn hier wurde eine vierspurige Straße auf ca. 4 km  in die Stadt so verändert, dass dem Autoverkehr nur noch 2 Spuren zur Verfügung stehen und die Radfahrer ungehindert auf zwei direkt gegenläufigen Spuren den Weg zur Arbeit etc. nutzen können; und bei jeder Querung von Straßen halten die Autofahrer frühzeitig an, dass der Radfahrer ohne Zögern seine Fahrt fortsetzen kann – Respekt!
Nach dem Durchqueren der vielen Verkehrsadern am Stadtrand ist die N120 bis Tardajos wieder angesagt – aktuell wenige LKW, dafür nimmt der Radpilgerverkehr ständig zu.

In Tardajos sind die Graffiti an den Häusern und Schuppen zum Thema Pilgern schon sehr plakativ und auffallend – die Anrainer sind in jeglicher Form dabei – es ist aber auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Gastgeber am Camino.

Meine Strecke ist ab jetzt für die nächsten 20 km auf dem unbefestigten Camino geplant; das Wetter ist seit 2 Tagen beständig und Schlamm nicht zu erwarten.

Heute morgen ist der italienische Zimmerkollege Salvatore aus Valencia früher aufgebrochen, um bis nach Frómista zu gelangen; der Südafrikaner Mike will später starten und sein Ziel ist für heute noch nicht definiert. Weiterhin ist eine Gruppe Brasilianer mit 8 Radbikern unterwegs und wird mir ständig heute „Hola“ zurufen; sie haben 15 Tage, davon 11 mit dem Leihrad von Saint Jean bis Santiago. Das fühlt sich etwas stressig an und die Fußpilger müssen schon Nerven haben, wenn in einem Steilstück 8 Biker vorbeirauschen“. Sie werden heute in Frómista übernachten, aber das heißt dass ich sie morgen höchstwahrscheinlich wiedersehe.

Die Mesetahochebene habe ich am frühen Vormittag mit Taizé-Musik erreicht; es geht langsam voran, denn jeder spitze Stein kann ein potentielle Panne verursachen. Vor mir wandern 2 junge Frauen, die sich in Deutsch unterhalten. Die Gelegenheit zu einem zwanglosen Plausch ist günstig, da ein Flachstück vor uns liegt. Und so unterhalten wir uns in ihrem Tempo die nächsten 10 Minuten und bei dem steilen Gefällstück muss ich sie dann hinter mir lassen – sie sind übrigens aus Norddeutschland. Noch eine Kuppe – der Weg verläuft hier zwischen 800 m und 900 m – und es geht abwärts nach Hontatas. Hier treffe ich auf Salvatore, der gerade startet – die Brasilianer sind da und auch Mike, den ich vor dem ersten Aufstieg schon traf, sitzt entspannt beim Café con Leche (den gönne ich mir auch). Wir werden uns hier verabschieden, denn er hat ab jetzt einen anderen Rhythmus in seinen Etappen.

Nach Hontatas bin ich wieder auf der Straße und es geht mit über 30 km/h die nächsten 5 km bis zu den Ruinen des Klosters San Anton; hier führt der Camino quasi durch das Gebäude – es ist ein sehr markanter Punkt für alle Pilger auf dem Weg nach Santiago.

Die nächste Statio ist in Castrojeritz mit seinen 2 Kirchen und der weit sichtbaren Burg auf den Bergrücken.

Nun beginnt das, wovor viele Fußpilger Respekt haben. Es ist die endlose Weite und der durchaus stramme Wind aus Nordost wabert über die Felder. Es ist eine einsame, vielleicht trostlose Stimmung, die durch die vielen Windräder am Horizont etwas unterbrochen wirkt. Ich kann mich als Radfahrer, der das 3-4 fache am Tage zurücklegt nicht direkt in die Gefühlslage des Fußpilgers versetzen, denn ich bin nur 2-3 Tage in der Meseta unterwegs. Aber dann kommt eine Strecke über vielleicht 7-10 km, die sich wie die „Route 66“ in Nordamerika anfühlen muss; es ist das schier endlose Band der schnurgeraden welligen Straße, die am Horizont verschwindet, ohne zu enden. Da ist dann auch schon Durchhaltenvermögen angesagt – und ein wenig kann man die Schilderungen der Fußpilger verstehen.

Vor Frómista steht das nächste Kulturhighlight; es ist die gotische Gerichtssäule in Boadilla de Camino. Sie wird von 7 aktiven Storchennestern auf der Dorfkirche bewacht (Angabe ohne Gewähr – es können auch mehr sein). Die Störche mit ihren Brutstätten sind jetzt fester Teil des Camino in der Meseta-Hochebene.

Mein Radtacho zeigt am Ortseingangsschild von Boadilla 2.000 km an!
Das ist ja fast Bergfest; das kommt dann morgen irgendwo vor León.

In Frómista fällt die besondere Bauweise der Kirche San Martín auf; hier soll eine Jakobusstatue in der Kirche aufgestellt sein. Leider sind auf dieser Hochebene alle Kirchen und Kapellen geschlossen.

Nach dem Foto ruft hinter mir einer „Charl“ – es ist Salvatore aus Valencia; er hat seine Etappe geschafft – das ist wieder einmal der Camino!

Für mich geht es über die letzte Welle auf den letzten 20 km bis Carrión, wo ich gleich in der Klosterherberge Santa Clara ein geräumiges Einzelzimmer mit Dusche beziehe. Am Ort sind alle Kirchen Museen und eintrittspflichtig. Als Alternative besorge ich mir im Dia-Market die Verpflegung für den langen morgigen Tag über 102 km bis León; man weiß ja nicht, was es morgen auf der „einsamen“ Strecke unterwegs zu kaufen gibt.

Die Tapasbar am Platze und 2 Glas Wein sorgen dann heute für einen gefüllten Magen. Ansonsten ist der Ort überfüllt mit Pilgern und älteren Herrschaften aus dem Ort, die dem Treiben der Pilger zuschauen und es auf ihre Art kommentieren.

Zum Frühstück soll nach Auskunft eines Mitarbeiters meiner Unterkunft bereits um 7 Uhr eine Bar geöffnet haben. Ich werde pünktlich da sein.

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