Auf dem alten Handelsweg

Blickfang am Wegesrand

Heute stehen bis auf die Fahrt zur Unterkunft von Unna nach Fröndenberg an der Ruhr kaum Herausforderungen mit Steigungen an. Der prognostizierte Wind fehlt um 7:30 Uhr auch noch. Die Strecke ist bis auf ganz wenige Teilstücke mit dem sehr gut ausgeschilderten Jakobsweg identisch und fast ausschließlich bituminiert. Es sind ganz viele Wirtschaftswege, die manchmal seltsam abgesperrt sind.

Mein Koga passt mit Fähnchen drunter durch

In Salzkotten treffe ich auf die alte Salzstraße. Eine historische Ölmühle und ein Gradierwerk zur Salzgewinnung sind hier ein öffentliches Freilichtmuseum.

Weiter gehts nach Geseke zum ehemaligen Damenstift und dem Hl. Cyriakus geweihten Kirchenbau aus dem 12. Jahrhundert. Den Stempel gibts im Pfarrheim. Das ist auch gut so, denn ich benötige dringend eine Toilette. In Zeiten von Corona sind da natürlich die Personalien erforderlich – ein nettes Gespräch inclusive.

Hier lohnt sich aber auch noch eine Tour durch den kleinen Ort .

Apropos Corona und Seuchen. An der nächsten Wegekreuzung stand im 15. Jh. eine Jakobus-Kapelle und bis 1700 ein Seuchenhaus. Aus diesem Grunde heißt dieser Platz heute „An der Seuchenlinde“. Ja, es gibt Dinge, die kommen immer wieder und stehen später in den Geschichtsbüchern unsere Ur-Ur-…Enkel.

In dem kleinen Ort Bökenförde holt mich das Thema Marienwallfahrt ein. „Haben Sie eine kleine feine Kirche entdeckt?“ fragt mich eine Mitarbeiterin der Gemeinde. Ja das ist so. St. Dionysius ist ein Beispiel, wie ein Pfarrer in Verbindung mit seiner Gemeinde ein Highlight in der Provinz schafft ohne das der „Wallfahrtskult“ überhand nimmt. Hier ist ein Gnadenbild der „Mutter der göttlichen Gnade“ in schlichtester Form mit modernen Kunstwerken ausgestellt. Ein paar Beispiele in den folgenden Bildern.

Der Innenraum
Die Marienstatue aus dem 12. Jahrhundert aus Lindenholz
Kirchenfenster
Kunstwerk

Es geht weiter und alle 5 km gibt es neue Eindrücke. In Bad Westernkotten ist Kurbetrieb mit Salz-Gradierwerk und einer tollen Parkanlage. Da ich noch 80 km vor mir habe begrenze ich die Zeit auf eine paar Fotos und die obligatorischen Backteilchen für die Mittagsrast.

Bruno und Brunhilde am Kurhaus
Wie in einem Rhönrad
Salz-Gradierwerk mit Kurgästen

In Erwitte steht das heute für Privatevents genutzte Schloss Landsberg und die mächtige Kirche St. Laurentius – wieder ein Stempel.

Windmühle als privates Haus in Schmerlecke

Nach rund 60 km sitze ich auf dem Kirchplatz der die Stadt dominierenden Kirchen St. Patrokli und St. Petri (ev.) und dem Stadtpatron St. Patroklus am alten Stadthaus. Leider ist das nicht wirklich entspannend, Cola, Wasser und Teilchen mit den überall anwesenden Wespen zu teilen – die wollen alles! Deshalb fällt die Pause kurz aus und es geht weiter in Richtung Werl und Unna.

St. Patrokli
St. Petri mit Brunnen
… in St. Petri – genial und vergänglich

In vielen Orten tauchen die Straßennamen „Hellweg“ – „An der alten B1“ – „Alte Heerstraße“ auf.

Straße in Ostönnen nahe Werl

Nach Ostönnen folgt in der logischen Folge Westönnen. Das merke ich auch an den ständigen Wind aus Südwest. Da muss ich mich wohl bis Aachen daran gewöhnen.

Ein interessanten Fenster in St. Cäcilia in Westönnen

In der Wallfahrtsstadt Werl ist diese traditionelle religiöse Form der Verehrung an einem Brunnen treffend dargestellt.

Die Fahrrad-Tour ist eher unspektakulär. Irgendwann hat mich dann doch das trockene Kettenzirpsen genervt und dann in Werl ein wenig Kettenöl verabreicht. Es sind ja auch mittlerweile fast 800 km seit dem Start absolviert. Die Wallfahrtskirche in Werl hake ich schnell ab – dieser klassische „Katholische Kult“ ist nicht mein Ding – aber jedem das Seine.

Eine für mich schöne Kreuzigungsgruppe mit dem besonderen Moment in St. Kunibert in Werl-Büderich

Während Büderich 3 km weiter ist als Werl kommt Holtum bereits 1,5 km nach Büderich. Die Schlagzahl der besonderem Moment nimmt zu. Ich stehe an der „Meditationskirche Holtum“, die St. Agatha geweiht ist. Seit 2019 verkündet ein goldener Engel auf der Kirchturmspitze die frohe Botschaft. Aber wo ist das Besondere? Im Inneren empfängt mich ein Spruch auf einem Prospekt:

Herzlich willkommen in einer besonderen Kirche!

Mit dem interaktiven Bildschirm (für alle Altersgruppen geeignet) suche ich mir das Thema „Freude“ aus und in einer kurzen Sequenz (10 min) kommt aus den Kirchenlautsprechern Musik und gesprochene meditative Texte. Die Kirche wird parallel zu dem Thema individuell ausgeleuchtet und zum Schluss singt eine Sopranistin, begleitet mit Gitarrenmusik, eine moderne Form des Liedes „Lobe den Herren“ mit vier Strophen. Die Zeit verging wie im Flug.

Es wäre schön, wenn wir in unseren Kirchen und religiösen Kreisen mehr Offenheit für das Andere, das Neue, das Interessante, das andere Alte finden und suchen – ich glaube das kann ansteckend sein.

Meditationskirche St. Agatha

Nach 100 km sitze ich im Aussenbereich des Café Extrablatt im Zentrum von Unna vor den Toren Dortmunds. Die evangelische Stadtkirche ist zwar vollständig eingerüstet aber offen. Ein interessantes Gespräch zum Thema Jakobsweg mit der Dame am Infostand rundet den Tag ab – der Stempel ist auch gesichert.

Marktplatz

Mit der Kontaktaufnahme zum airbnb Zimmer in Fröndenberg melde ich mich bei Samuel an. Ich gönne mir zwei Weizen Af und eine Lasagne (es ist ja auch schon 17:30 Uhr). Das passt dann auch für die nächsten 5 km Anstieg bis zum Bismarckturm – von 90 auf 200 m – um dann noch 3 km beraub bis zur Ruhr.

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