Wetterkapriolen im Kinzigtal nach Fulda

Heute Morgen sitzen wir auf der Terrasse bei H+H in Bönstadt beim Frühstück. Es ist neblig und die Wetter-App prognostiziert ganztägig Gewitter auf der Strecke – es sollte auch mich erwischen. Mit einem Schinkenbrötchen im Gepäck verabschiede ich mich um viertel vor Acht – immer wieder tolle Gastgeber. Mit zwei giftigen knackigen Anstiegen bis nach Windecken werden die ersten 10 km schon eine Herausforderung – und es sollten noch 100 km in den 7 Stunden reine Fahrzeit dazukommen. Auf der Höhe begrüßt mich eine kleine Sonnenblume am Wegesrand und die Sonne blinzelt auch schon durch die Nebelsuppe.

An dem nächsten Wasserwerk bin ich wieder auf der Bonifatiusroute – mit Stempelkasten. Aber der Hinweis auf die Wespen entpuppt sich beim Öffnen der Klappe: der Gummi des Stempels war schon im Magen der stechenden Ungeheuer.

In Windecken ist die alte Burg im Privatbesitz (nicht zugänglich) – unmittelbar daneben steht ein mittelalterlicher Hexenturm.

Mittlerweile hat die Sonne den Nebel verschluckt und in Langenselbold bin ich an der Kinzig angekommen und fahre entspannt parallel zum Fluß auf dem Hessischen Fernradweg R 3, der bis Fulda auch als Jakobsweg auf der Bonifatiusroute ausgeschildert ist. In den Ortskernen begleiten mich heute ganz viele Fachwerkhäuser.

Die Route im Navi passt mit der R 3. Aber ein Logistikzentrum für Lidl wird mitten auf dem ausgewiesenen Radweg gebaut. Die Umleitung gibts noch nicht offiziell – aber auf gut Glück komme ich durch und stehe dann vor der nächsten Sandbarriere am Ende der Baustelle. Das Gefährt muss einiges aushalten und der Fahrer braucht kräftige Arme. Im nächsten Wald gibt dann auch noch einem umgefallenen Baum – eine Minilücke muss ausreichen.

Mein nächstes Ziel liegt wie so oft auf dem Berg – die alte Bergkirche in Gründau. In dem vorgelagerten Niedergründau steht an einer Kreuzung eine moderne Zeltkirche – sie ist offen und wird für die Kommunionkinder am heutigen Tag geschmückt. Mein erster Stempel ist fällig.

Die heute ev. Bergkirche aus dem 12. Jahrhundert ist auch geschmückt – für ein Brautpaar. Der zweite Stempel des Tages ist im Ausweis verewigt. Hier wird bei einer kurzen Rast und Sonnenschein das Schinkenbrötchen mit wunderbarem Radflaschen-Wasser vertilgt.

In der Fachwerk- und Kurstadt Bad Gelnhausen ist hektische Samstagsbetriebsamkeit. Die Altstadt ist nicht autofrei. Mit einer Schinkenkäsestange vom Bäcker verziehe ich mich auf ruhiges Fleckchen hinauf zu St. Peter – der alte Schwesternfriedhof ist als Kräutergarten und Aufenthaltsraum aufgewertet worden.

Die nächsten 20 km führen den R 3 durch Naturschutzgebiete (meist unbefestigt), vorbei am Kinzigstausee und an der ICE Strecke Frankfurt-Fulda – das einzige Interessante sind die Störche am Wegesrand. Und mittlerweile hängen Wolkenberge in schwüler Luft am Himmel.

Die Doppelstadt Bad Soden-Salmünster ist gut für ein vorzügliches Eis aus dem Eishäuschen an der geschlossenen Kirche am ehemaligen Franziskanerkloster. Der Donner kommt näher – noch 8 km bis zur Brüder-Grimm-Stadt „Steinau an der Straße“. Aufbruch und zügige 8 km in ca. 30 Minuten. Vor der Stadt sehe ich schon die Regenfahnen in der nahen Ferne bis zum Boden reichen. Es ist 14 Uhr und die Tourist-Info gegenüber der Kirche hat noch bis 15 Uhr geöffnet. Ich frage die nette Dame mit dem obligatorischen Pilgerstempel, ob die Kirche offen ist um hier das Gewitter heil zu überstehen. Sie gibt mir den Schlüssel für die Kirche der hl. Katharina von Alexandria – erstmalig urkundlich erwähnt 1273 und 1414 als „Sant Katherin“ benannt – das weiß ich alles aus der Heft zur Kirchenführung – wenn man alleine ist und das Wasser draußen eimerweise runterkommt kann man viel studieren! Mit den ersten Sonnenstrahlen kurz vor 15 Uhr ist mein Fahrrad wieder aufgerüstet und die Kirche zu und ich habe mein Pfand – den Perso wieder.

Weiter gehts mit leichtem Bindfadenregen Richtung Fulda. Es gilt noch 2 Gipfel zu erklimmen. Die nächste Strecke geht auf 3 km entlang einer viel befahrenen Straße und überwindet ca. 180 Höhenmeter – der richtige Gang und treten – und der Anorak hält den Regen ab. Auf der Höhe angekommen bin ich wieder etwas schlauer. Hier werden im Industriegebiet die Arbeitsklamotten von Engelbert Strauss hergestellt – vor den Toren Fuldas.

In der rasanten Abfahrt (über 40 km) gehts hinab nach Flieden und Neudorf und dann auf der „Alten Heerstraße“ erneut den Berg hinauf. Diese Strecke ist ganz unbefestigt im den Wald und mittlerweile bei über 800 Höhenmetern (es werden heute 880) tun die Handgelenke weh (siehe Bericht vom nächsten Tag). Das ist für mich neu – sonst gibts nach 3-4 Tagen immer Gesäßprobleme.

Kurz nach der höchsten Stelle mit 396 m auf der heutigen Route endet der Wald und gibt den Blick frei auf Fulda. Jetzt gehts nur noch bergab – oder? Das Ziel ist heute die Jugendherberge vor den Toren Fulda‘s – und hier ist auf 300 m noch einmal „kleinstes Kettenblatt“ angesagt. Die Info mit der DJH auf dem Berg hatte ich von unserem FairPlay-Tour Gründer Herbert schon vorab bekommen – aber so steil habe ich mir das nicht vorgestellt. Das Fahrrad steht in einer extra Garage und mein Quartier ist im Souterrain – kein Hotspot WLAN – deshalb entsteht der Bericht im Aufenthaltsraum bei 3 bayr. Weizenbier (je 2,50 €).

Zum Abendessen bin ich mit dem Rad in die barocke Altstadt gefahren und ergattere noch kurz vor dem bischöflichen Samstagabend – Gottesdienst im Fuldaer Dom in der Sakristei in Anwesenheit der Hochwürden den Fuldaer Pilgerstempel. Meine Radrundfahrt durch Fulda zeigt mir, dass es sich lohnt, hier mal einen Städtetrip hin zu machen. Nach Bandnudeln mit Pfifferlingen im „mediterran delikate“ (hochpreisig) – kaum ein Tisch für eine Person um 8 am Samstagabend zu finden – gehts zurück zur DJH und wieder den Hügel hoch. Aber ich benötige wegen dem fehlenden Gepäck nicht das letzte Ritzel.

Der Bericht endet hier – das Weizen ist leer – es ist 23:15 Uhr – und Morgen steht die längste Etappe nach Kassel mit geplanten 128 km an. Schaun mer mal.

 

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